Altlast N96: Chemische Reinigung Werzinger

Auf dem Altstandort „Chemische Reinigung Werzinger“, der eine Fläche von rd. 1.000 m² aufweist und vollständig bebaut bzw. versiegelt ist, wurde ab ca. 1960 über einen Zeitraum von rd. 40 Jahren eine chemische Reinigung und ab ca. 1975 eine Wäscherei betrieben. In der chemischen Reinigung kam bis ca. 1996 Tetrachlorethen zum Einsatz. Die Abwässer der chemischen Reinigung (Kühlwasser, Kontaktwasser) wurden - vermutlich bis 1985 ohne Vorbehandlung - in die Kanalisation eingeleitet.

Am Standort ist eine erhebliche Untergrundverunreinigung durch CKW bzw. Tetrachlorethen vorhanden. Die Verunreinigung liegt vor allem in Untergrundbereichen der ungesättigten Zone mit hohem Schadstoffrückhaltevermögen vor und reicht nur lokal bis in den Grundwasserschwankungsbereich in 6-7 m Tiefe. Die Emissionen aus dem Bereich der erheblichen Untergrundverunreinigung und die Belastung des abströmenden Grundwassers sind sehr gering. Entsprechend den Kriterien für die Prioritätenklassifizierung ergibt sich für den erheblich verunreinigten Bereich des Altstandortes die Priorität 3.

Bezirk:
Gemeinde:
Katastralgemeinde:
Grundstücksnummern:
Tulln,
Tulln an der Donau,
Tulln,
73, 476
Lage der Altlast : Altlast im GIS anzeigen
Art der Fläche: Altstandort
Branche: chemische Reinigung
Fläche Altlast (m²): 360 m²
Volumen Altlast (m³): 1.000 m³
Schadstoff(e) Organische Lösungsmittel (leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe)
Datum Eintrag Altlastenatlas: 15.12.2022
Datum der Prioritätenfestlegung: 15.12.2022
Priorität: 3

BESCHREIBUNG DER STANDORTVERHÄLTNISSE

Betriebliche Anlagen und Tätigkeiten

Der Altstandort „Chemische Reinigung Werzinger“ befindet sich in zentraler Lage im Stadtgebiet von Tulln und umfasst eine Fläche von etwa 1.000 m².

Auf dem Standort wurde ab ca. 1960 bis 2002 eine chemische Reinigung in den Räumlichkeiten nördlich bzw. links der Einfahrt betrieben. Ab 1975 wurde außerdem eine Wäscherei unter Einsatz konventioneller Waschmittel auf Tensidbasis betrieben. An der Südseite des Innenhofes wurden im Jahr 1961 für einen Fahrschulbetrieb mehrere Garagen (Einstellboxen für Kfz) und ein Waschplatz mit Benzinabscheider am östlichen Ende des Hofes errichtet.

In der chemischen Reinigung kam Tetrachlorethen (PER) zum Einsatz. Die Reinigungsmaschine befand sich im Arbeitsraum, anschließend an den straßenseitigen Verkaufsraum. Die Abluft wurde horizontal in den Einfahrtsbereich ausgeblasen. Eine Aktivkohlereinigungsanlage für die Abluft war spätestens ab 1980 vorhanden. Die Abwässer wurden nach Passage eines Seifenabscheiders in den Kanal eingeleitet. Ab dem Jahr 1985 wurde eine Reinigungsmaschine mit Tieftemperaturkühlung („geschlossenes System“) mit angeschlossener Destillationsanlage verwendet.

In einer der Einstellboxen wurden spätestens ab 1984 das Reinigungsmittel (PER in Fässern, insgesamt bis zu 300 kg) und PER-haltige Reinigungsabfälle gelagert (Flusen, Schlämme, etc.).

Die Abwässer vom Waschplatz wurden über Steinzeugrohre in den städtischen Mischwasserkanal abgegeben, der unter der Rudolfstraße in südliche Richtung verläuft. Die Abwässer aus der chemischen Reinigung (Kühlwasser, Kontaktwasser) wurden – vermutlich bis 1985 ohne Vorbehandlung – ebenfalls in die Kanalisation eingeleitet.

Zur Energieversorgung des Reinigungsbetriebes wurde ab 1964 Heizöl verwendet (anfänglich Heizöl Mittel, ab 1965 Heizöl Leicht). Der Öllagerraum, in dem zunächst Ölfässer und ab Ende 1965 zwei Kastentanks zu je 2.000 l aufgestellt waren, befand sich östlich des Arbeitsraumes. Im Jahr 2007 wurde auf Erdgasbetrieb umgestellt. Die Betriebsräume der chemischen Reinigung sind nicht unterkellert.

Südlich bzw. rechts der Einfahrt befand sich ab Mitte der 1950er Jahre eine Niederlassung einer Reparatur-Werkstätte für landwirtschaftliche Maschinen. In den Räumlichkeiten, die unterkellert sind, waren ein Verkaufsraum, ein Büro und ein Magazin untergebracht.

Die historische Nutzung des Standorts ist in nebenstender Abbildung dargestellt. Nach 1990 erfolgten weitere Betriebsanlagenänderungen. So wurde eine Kontaktwasserreinigungsanlage installiert und eine Bodenluftsonde neben der Reinigungsmaschine hergestellt. Ab ca. 1996 bis 2002 wurden iso-paraffinische Kohlenwasserstoffgemische (KWL) anstelle PER zur Textilreinigung verwendet.  

Anlässlich des Auftretens von Mineralöl im Nutzwasserbrunnen der chemischen Reinigung (und in mehreren Brunnen westlich des Altstandorts) im Juli 1997 wurden am Ölversorgungssystem keine Undichtheiten festgestellt.

Untergrundverhältnisse

Das Gelände des Altstandortes befindet sich auf etwa 180 m ü. A. und ist wie das umliegende Gelände weitestgehend eben. Der Standort ist vollständig bebaut bzw. versiegelt.

Der Standort befindet sich auf einer fluviatilen Niederterrasse rechtsseitig der Donau. Unter der Oberflächenversiegelung stehen anthropogene Anschüttungen an, die lokal eine Mächtigkeit bis zu 5 m erreichen und teilweise bis ins Spätmittelalter zurückreichen. Darunter folgt der natürliche Untergrund als Überrest der ursprünglichen Auesedimente (schluffiger Sand), die in 3-5 m Tiefe zu stark sandigen Fein- und Mittelkiesen übergehen. Die Sande und Kiese bilden den Porengrundwasserleiter. Der Stauer (sandiger Ton) ist in rd. 12 m Tiefe anzutreffen.

Der Flurabstand im Standortbereich beträgt 6-7 m. Die Schwankungen des Grundwasserspiegels liegen seit Errichtung des Kraftwerkes Greifenstein im Jahr 1985 bei etwa 1,5 m. Die generelle Grundwasserströmung ist von West nach Ost gerichtet, im unmittelbaren Standortbereich erfolgt die Strömung bei einem Gefälle von 0,5-2 ‰ vorwiegend nach Ostsüdost.

Die hydraulische Durchlässigkeit kann in einem Bereich zwischen etwa 3×10-3 m/s und 2×10-4 m/s angenommen werden.

Die spezifische hydraulische Fracht der gesättigten Zone (rd. 5 m Wassersäule) kann im Bereich 0,1-1 m³ pro Tag je Querschnittsmeter abgeschätzt werden.

Das Niederschlagswasser bzw. die Dachwässer werden am Altstandort und auf den angrenzenden Straßenflächen in die Kanalisation eingeleitet. Die Sickerwassermenge im Bereich des Altstandortes ist daher insgesamt als sehr gering anzunehmen.

Schutzgüter und Nutzungen

Der Altstandort wird im Erdgeschoß gewerblich genutzt. Im nördlichen Gebäudetrakt wird eine Wäscherei betrieben, im südlichen Trakt ein Bekleidungsgeschäft. Im Obergeschoß befinden sich seit jeher Wohnungen. Im Umfeld des Altstandorts befinden sich entsprechend der innerstädtischen Lage Wohn- und Geschäftshäuser. 

Der Standort liegt im Grundwasserkörper „Tullnerfeld“ (GK 100026) und befindet sich in keinem Grundwasserschutz- oder Grundwasserschongebiet.

Am Standort und im Umfeld befinden sich zahlreiche Hausbrunnen, die vereinzelt noch zur Nutzwasserversorgung dienen (z.B. Wärmepumpenbetrieb). Die meisten Hausbrunnen werden nicht genutzt. Im Abstrom sind bis 500 m keine Brunnen zur Trinkwasserversorgung bekannt.

 

GEFÄHRDUNGSABSCHÄTZUNG

Auf dem Altstandort „Chemische Reinigung Werzinger“, der eine Fläche von rd. 1.000 m² aufweist und vollständig bebaut bzw. versiegelt ist, wurde ab ca. 1960 über einen Zeitraum von rd. 40 Jahren eine chemische Reinigung und ab ca. 1975 eine Wäscherei betrieben. In der chemischen Reinigung kam bis ca. 1996 Tetrachlorethen zum Einsatz. Die Abwässer der chemischen Reinigung (Kühlwasser, Kontaktwasser) wurden – vermutlich bis 1985 ohne Vorbehandlung – in die Kanalisation eingeleitet. Zur Dampferzeugung und zur Beheizung des Gebäudes wurde ab 1964 Heizöl (im Wesentlichen Heizöl Leicht) verwendet. Das Heizöl wurde in oberirdisch aufgestellten Tanks neben dem Heizraum gelagert.

In den 1990er Jahren wurde im westlichen Teil des Standorts im Untergrund eine Verunreinigung durch Tetrachlorethen festgestellt. Dabei wurden in der Bodenluft Gehalte an leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW), im Wesentlichen Tetrachlorethen, bis etwa 500 mg/m³ gemessen. Vermutlich über die Dauer eines Jahres wurden Sanierungsmaßnahmen in Form einer Bodenluftabsaugung durchgeführt. Aufgrund der Art der damaligen Absaugpegel (5/4“ eingerammte Eisenrohre) ist von einem nur kleinräumigen Sanierungseffekt auszugehen.

Die Ergebnisse von aktuellen Bodenluftuntersuchungen an temporären Messstellen zeigen vor allem im westlichen Standortbereich erhöhte CKW-Gehalte, die den Prüfwert der ÖNORM S 2088-1 lokal um mehr als das 50-fache überschreiten. Auch im Feststoff werden an mehreren Stellen CKW-Gesamtgehalte von mehr als 1 mg/kg TS gemessen. Die im Rahmen von Bodenluftabsaugversuchen an mehreren Terminen abgesaugten CKW-Mengen (CKW-Fracht) liegen in einer Bandbereite von etwa 60-80 Gramm pro Tag und sind als erheblich zu beurteilen. Auf einer Fläche von ca. 350 m² sind erhebliche Untergrundverunreinigungen durch Tetrachlorethen vorhanden.

Es ist anzunehmen, dass mit Tetrachlorethen verunreinigte Abwässer an undichten Stellen der Kanalisation in den Untergrund gelangt sind und sich entlang von Wegsamkeiten (z.B. Trasse der Abwasserleitung) auch horizontal ausgebreitet haben. Gemäß den durchgeführten Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die CKW-Verunreinigung vor allem in der ungesättigten Zone bis 5 m Tiefe in den sandig-schluffigen Untergrundschichten mit hohem Schadstoffrückhaltevermögen vorliegt (Anschüttungen, Auesediment). Die leicht erhöhten CKW-Konzentrationen in den Schöpfproben aus dem Schadenszentrum zeigen jedoch, dass zumindest lokal die Verunreinigungen bis in den Grundwasserschwankungsbereich in 6-7 m Tiefe reichen. Hinweise auf erhebliche Verunreinigungen der gesättigten Zone liegen jedoch nicht vor. Das Volumen des erheblich kontaminierten Untergrundbereiches wird in einer Größenordnung von 1.000 m³ abgeschätzt. Spuren von Trichlorethen weisen auf einen eingeschränkten mikrobiellen Abbau des Tetrachlorethen hin, die weiteren Abbauprodukte (cis-Dichlorethen, Vinylchlorid) sind im Regelfall nicht nachweisbar.

Aufgrund der Überbauung des Schadenszentrums und der sehr geringen Sickerwassermenge ist von geringen Schadstoffemissionen ins Grundwasser auszugehen. Dementsprechend zeigen die Ergebnisse von Grundwasseruntersuchungen an mehreren Terminen sowie die Ergebnisse von Grundwasserpumpversuchen im Abstrom des erheblich verunreinigten Bereiches keine erhöhten Konzentrationen an gelösten CKW. Eine allenfalls vorhandene Schadstofffahne ist auf den unmittelbaren Schadensherd beschränkt. Die vom Standort abströmende CKW-Fracht ist sehr gering. Anzumerken ist, dass fallweise – vermutlich in Abhängigkeit vom Grundwasserstand – im Umfeld des Altstandortes erhöhte CKW-Konzentrationen im Grundwasser auftreten, die jedoch nicht mit den CKW-Verunreinigungen am ggst. Altstandort zusammenhängen.

Bezüglich der im Jahr 1997 im Hausbrunnen am Standort aufgetretenen Verunreinigung durch Heizöl ergeben sich aufgrund der Untersuchungen, der Art der Heizöllagerung (oberirdische Kastentanks, Heizraum angrenzend) und der 1997 durchgeführten Überprüfungen am Ölversorgungssystem keine Hinweise auf relevante Einträge ausgehend vom Standort, insbesondere betreffend die Zeit vor 1990. Bei den damals und aktuell festgestellten Verunreinigungen durch Heizöl Leicht handelt es sich um Restverunreinigungen eines Mineralölschadens, der sich im Bereich eines Altstandortes nordwestlich befindet.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Bereich des Altstandortes „Chemische Reinigung Werzinger“ eine erhebliche Untergrundverunreinigung durch CKW bzw. Tetrachlorethen vorhanden ist. Die Verunreinigung liegt vor allem in Untergrundbereichen der ungesättigten Zone mit hohem Schadstoffrückhaltevermögen vor und reicht nur lokal bis in den Grundwasserschwankungsbereich in 6-7 m Tiefe. Die Emissionen aus dem Bereich der erheblichen Untergrundverunreinigung und die Belastung des abströmenden Grundwassers sind sehr gering.

 

PRIORITÄTENKLASSIFIZIERUNG

Maßgebliches Schutzgut für die Bewertung des Ausmaßes der Umweltgefährdung ist das Grundwasser. Die maßgeblichen Kriterien für die Prioritätenklassifizierung können wie folgt zusammengefasst werden:

Schadstoffpotenzial: groß

Auf einer Fläche von etwa 350 m² ist der Untergrund in der ungesättigten Zone und im Grundwasserschwankungsbereich erheblich mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) bzw. Tetrachlorethen verunreinigt. Das Volumen des erheblich verunreinigten Untergrundbereiches kann mit 1.000 m³ abgeschätzt werden. Die CKW-Fracht im Bodenluftabsaugversuch ist erheblich. Tetrachlorethen weist aufgrund der stofflichen Eigenschaften ein hohes Gefährdungspotential für das Grundwasser auf und ist als sehr schädlich einzustufen. Unter Berücksichtigung der Art der Schadstoffe und des Ausmaßes der Verunreinigungen ergibt sich insgesamt ein großes Schadstoffpotential.

Schadstoffausbreitung: lokal

Aufgrund der Untergrundverhältnisse und der Ergebnisse der Grundwasseruntersuchungen kann die Länge der Schadstofffahne, die im Wesentlichen auf den Bereich der erheblichen Untergrundverunreinigung beschränkt ist, mit unter 10 m abgeschätzt werden. Die mit dem Grundwasser abströmende Fracht an CKW ist als sehr gering einzuschätzen. Die Schadstoffausbreitung ist daher insgesamt als lokal zu beurteilen. Eine weitere Schadstoffausbreitung ist mittel- und langfristig nicht zu erwarten.

Schutzgut: nutzbar

Der Altstandort und der Bereich mit erheblicher CKW-Belastung befinden sich in keinem wasserwirtschaftlich besonders geschützten Gebiet. Auf dem Standort und im Umfeld befinden sich zahlreiche Hausbrunnen, die jedoch nur vereinzelt zur Nutzwasserversorgung dienen. Trinkwassernutzungen sind im Abstrom bis 500 m Entfernung nicht bekannt. Eine Gefährdung bestehender, wasserrechtlich bewilligter Nutzungen zu Wasserversorgungszwecken ist nicht gegeben. Das Grundwasserdargebot ist als gering bis mäßig ergiebig zu beurteilen. Das anströmende Grundwasser weist eine anthropogene Vorbelastung auf.

Prioritätenklasse – Vorschlag: 3

Entsprechend der Beurteilung der vorhandenen Untersuchungsergebnisse, der Gefährdungsabschätzung und den im Altlastensanierungsgesetz § 14 festgelegten Kriterien ergibt sich die Prioritätenklasse 3.

  

 

Datum der Texterstellung: Dezember 2021