Brachliegende Industrie und Gewerbegrundstücke sind zahlreich vorhanden
In den letzten 50 Jahren führten in Österreich zahlreiche strukturelle Veränderungen zum Entstehen von industrie- und Gewerbebrachflächen. Ganze Industriezweige sind verschwunden, Unternehmen wurden fusioniert und höhere Produktionskapazitäten auf kleinerer Fläche eingerichtet. Ein Großteil dieser Brachflächen befindet sich in gut erschlossenen Lagen. Solche Standorte wären für neue Nutzungen prädestiniert, dennoch ziehen viele Investoren die Grünflächen außerhalb von verbauten Gebieten diesen Brachflächen vor. Nach wie vor beanspruchen Siedlungen immer mehr Flächen. Daraus ergeben sich unerwünschte Begleiterscheinungen, wie hohe Kosten für Bau und Erhaltung von Infrastruktur, Zersiedelung und Verlust an Urbanität.
Im Jahre 2004 wurde der Bestand an industriellen und gewerblichen Brachflächen in Österreich anhand einer Studie des Umweltbundesamtes auf bis zu 130 km² geschätzt. Das entspricht 3.000 bis 6.000 brachliegenden Industrie- und Gewerbestandorten. Ein Teil davon wird wiederverwertet, aber täglich fallen rund 30.000 m² an Industrie- und Gewerbefläche brach. Die Flächen wurden nach ihrer Lage und dem laufendem Bedarf analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass rund ein Sechstel des jährlichen Bauflächenneubedarfs durch Revitalisierung von verlassenen Standorten gedeckt werden könnte.
Kontaminationsrisiko bei Industrie- und Gewerbebrachen
Jährlich fallen rund 11 km² Industrie- und Gewerbeflächen brach, das heißt sie kommen zum bereits vorhandenen Brachflächenbestand neu dazu. Derzeit wird nur ein geringer Anteil davon wiederverwertet. Rund 85 % der jährlich neu anfallenden Industrie- und Gewerbebrachen sind nicht oder nur wenig kontaminiert. Lediglich bei 15 % der Flächen wird ein Verdacht auf Boden- bzw. Grundwasserverunreinigung vermutet. Bei rund 2 – 3 % der Flächen besteht vermutlich konkreter Sanierungsbedarf.
Die Wiederverwertung von Industrie- und Gewerbebrachen muss intensiviert werden
Im Zeitraum 1950 bis 1995 hat sich die Siedlungsfläche verdoppelt, die Bevölkerung hat im gleichen Zeitraum allerdings nur geringfügig zugenommen. Vor allem wertvolle Böden werden durch Baumaßnahmen versiegelt, wodurch natürliche Bodenfunktionen dauerhaft verloren gehen oder massiv beeinträchtigt werden. Bei anhaltendem Trend der Versiegelungsrate und Flächeninanspruchnahme würde es zu einer Verdoppelung der jetzigen Bau- und Verkehrsflächen in nur 50 Jahren kommen. Besonders problematisch ist dabei der Umstand, dass der quantitative Bodenverbrauch durch Versiegelung nach wie vor in hohem Ausmaß durch disperse Siedlungsentwicklungen entsteht, was zu Zersiedelung der Landschaft, ineffizienten Raumstrukturen und hohen Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte führt.
Bei konsequenter Wiedernutzung von Industrie- und Gewerbebrachen könnte der Flächenneuverbrauch um rund ein Sechstel reduziert werden und gleichzeitig die innerstädtische Entwicklung gefördert werden.
Versiegelung ist ¹als Bodengefährdung von europaweiter Relevanz definiert. Mitgliedstaaten sind aufgerufen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Versiegelung zu begrenzen beziehungsweise deren Auswirkungen auf die Bodenfunktionen insbesondere durch den Einsatz angepasster Baumethoden und -produkte abzuschwächen (Artikel 5). Als geeignete Maßnahme, um neue Baulanderschließungen auf der grünen Wiese zu begrenzen, wird insbesondere die Sanierung aufgegebener Flächen angeführt.
¹ Vorschlag der EU-Kommission für eine Bodenrahmenrichtlinie (KOM(2006)232).
Barrieren und Hemmnisse aus heutiger Sicht
- Bauland als Sparbuch. Es gibt in Österreich den Trend aufgeschlossene Liegenschaften zu horten. Dies führt zur Verknappung des am Bodenmarkt verfügbaren Angebots an baureifen Grundstücken und erzeugt Neuwidmungsdruck.
- Überangebot an Bauland-Neuerschließungen. Es gibt ein Überangebot an Bauland-Neuerschließungen, dadurch wird der Flächenneuverbrauch gesteigert und das Interesse an Industrie- und Gewerbebrachen sinkt.
- Risiken beim Flächenrecycling. Bei der Verwertung von Industrie- und Gewerbebrachen ist mit Finanzierungs- und Haftungsrisiken im Hinblick auf eventuell vorhandene Bodenkontaminationen zu rechnen.
Handlungsempfehlungen
Um langfristig eine intensive Wiederverwertung von Industrie- und Gewerbebrachen zu erreichen, ist die breite Unterstützung aller betroffenen Zielgruppen notwendig. In der Folge sind die wichtigsten Maßnahmen aus der Sicht des Umweltbundesamt genannt:
- Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Das Zusammenspiel von Versiegelung, räumlicher Zersiedelung, schrumpfenden Regionen und Klimaschutz muss von der breiten Öffentlichkeit verstanden werden, damit flächensparende Maßnahmen auch erfolgreich angenommen und unterstützt werden. Die Integration der Themen Bodenschutz und Flächenverbrauch in die Lehrpläne des Grundschulunterrichts ist daher empfehlenswert. Dazu gehört die Entwicklung von anschaulichen Unterrichtsmaterialen mit unterschiedlicher Komplexität für Volksschule und Hauptschule. Weiters sollte die breite Öffentlichkeit immer wieder durch Informationskampagnen über den Wert der Ressource Boden und das Phänomen Flächenverbrauch informiert werden.
- Erfolge messen - Transparenz von Flächenverbrauch und Flächenrecycling. Daten zur Verwertung von Brachflächen, zu Brachlandpotenzialen und zum Verbrauch von unerschlossenem Land können derzeit nur grob abgeschätzt werden. Um die Wirksamkeit von Maßnahmen im Bereich Flächensparen bewerten zu können, ist eine genaue Beobachtung des Brachflächenrecyclings, aber auch eine Aufzeichnung des aktuellen Flächenverbrauchs notwendig. Beides könnte durch die Einrichtung eines Flächenverbrauchskatasters, in dem bauliche Entwicklungen auf Altflächen und Neuflächen erfasst werden, erfolgen. In Großbritannien wird dies seit 1994 erfolgreich gemacht. Die Regionen erfassen, ob neu errichtete Wohnbauten auf bereits erschlossenem Land oder auf Neuland errichtet werden. Als politischer Zielwert wurde definiert, dass zumindest 60% der neuen Wohnbauten auf bereits erschlossenem Land zu errichten sind. Dieser Zielwert wurde bereits 2001 erreicht und wird kontinuierlich unterschritten (DEFRA, Department for Environment, Food and Rural Affairs).
- Verwertungsrisiken reduzieren. Um Investoren die Einschätzung von Kontaminations- und Haftungsrisiken zu erleichtern, werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
(i) Einheitliche, bundesweit anerkannte Grundlagen zur Beurteilung von Bodenverunreinigungen schaffen. Um eine einheitliche Beurteilung der Gesundheits- und Umweltgefahren und damit eine angepasste Nutzung von kontaminierten Böden sowie eine Planungssicherheit bei erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen, sollten Kriterien zur Beurteilung von Bodenverunreinigungen an Altstandorten festgelegt werden. Bewertungskriterien und Sanierungsziele sollten an die jeweilige vorgesehene Nachnutzung angepasst werden.
(ii) Verminderung des Haftungsrisikos. Auch nach der erfolgreichen Durchführung von Sicherungsmaßnahmen können Schadstoffe im Boden beziehungsweise im Untergrund zurückbleiben, die für Investor:innen ein Haftungsrisiko darstellen. Wie in Zukunft mit dem Haftungsrisiko von gering kontaminierten Standorten umgegangen werden soll, wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Neuausrichtung der Beurteilung und Sanierung von kontaminierten Standorten - Altlastenmanagement 2010“ erarbeitet.
- Vorhandenes Bauland effizient nutzen und Bebauung von Grünland vermeiden. Hier sind vor allem Steuerungsinstrumente der Raumplanung gefragt:
(i) Baulandspekulationen eindämmen. Mit dem Rechtsakt der Baulandwidmung ist in der Regel eine hohe Vermögenswertsteigerung von Liegenschaften verbunden, ohne dass die/der EigentümerIn dafür eine Gegenleistung erbringen muss. Durch Entrichtung einer Lenkungsabgabe auf so genannte Planwertgewinne könnte der Neuausweisung und dem Horten von Bauland entgegen getreten werden. Diese Gelder sollten zweckgebunden für kommunale bodenpolitische Zwecke, einschließlich Förderungen für das Recycling von Brachflächen, Verwendung finden.
(ii) Abbau von Baulandreserven. Große Baulandreserven sind zum Beispiel durch etappenweise Freigabe und zeitliche Befristung von Entschädigungsansprüchen abzubauen. Die Flächenwidmung muss bedarfsorientiert und nicht vorratsorientiert gestaltet werden, dadurch kann Zersiedelung vermieden werden.
(iii) Steuerung der Baulandmobilisierung. Um die Mobilisierung von gewidmetem Bauland zu beschleunigen und den Bedarf an Neuwidmungen trotz vorhandener Baulandreserven zu reduzieren, haben einige Länder (Salzburg, Steiermark) mit verschiedenen Spielarten der Vertragsraumordnung reagiert. Hierbei werden die Gemeinden ermächtigt, vor der Widmung des Grundstücks mit den Grundstückseigentümer:innen Verträge über die nutzungskonforme Verwendung der Flächen abzuschließen. Wenn diese Flächen innerhalb einer bestimmten Frist nicht bebaut werden, können sie entschädigungslos in Grünland rückgewidmet werden (Widmungsverfall). Empfohlen wird die verstärkte Anwendung des salzburgischen beziehungsweise steirischen Modells auch in anderen Bundesländern, um die fristgerechte Bebauung geeigneter gewidmeter Flächen zu gewährleisten und Neuausweisungen zu reduzieren.
Publikationen
Umweltbundesamt (2004). Industrielle Brachflächen in Österreich – Wiedernutzungspotenzial.