Altlast O87: Chemiepark Linz - Stickstoffanlagen und Mehrzweckanlage

Im nordwestlichen Bereich des Altstandortes „Chemiepark Linz“ werden seit den 1940er-Jahren Anlagen betrieben, in denen stickstoffhältige Produkte erzeugt werden („Stickstoffanlagen“: Dünger-, Harnstoff- und Melaminanlagen).

Im Zuge der Betriebstätigkeit kam es zu einem sehr hohen Schadstoffeintrag in den Untergrund, der im Grundwasserabstrom der Anlagen zu einer starken Grundwasserverunreinigung durch Ammonium und Nitrat geführt hat. Darüber hinaus ist ausgehend von der „Mehrzweckanlage“ eine Grundwasserverunreinigung durch chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) vorhanden. Die im Grundwasser transportierten Frachten dieser drei Schadstoffgruppen sind als erheblich zu beurteilen. Im Grundwasserabstrom dieses Bereiches sind keine Grundwassernutzungen vorhanden. Entsprechend den Kriterien für die Prioritätenklassifizierung ergibt sich für den Bereich der Stickstoffanlagen und der Mehrzweckanlage die Priorität 2.

Bezirk:
Gemeinde:
Katastralgemeinde:
Grundstücksnummern:
Linz,
Linz,
Lustenau,
1625/2, 1625/10, 1625/11, 1625/24, 1625/25, 1625/26, 1625/28, 1625/38, 1625/56, 1625/60, 1625/108
Lage der Altlast : Altlast im GIS anzeigen
Art der Fläche: Altstandort
Branche: Düngemittelerzeugung,
Erzeugung sonstiger org. Grundstoffe
Ergebnis Beurteilung: erhebliche Kontamination,
erhebliches Risiko Grundwasser
Fläche Altlast (m²): 61.000 m²
Volumen Altlast (m³): 100.000 m³
Schadstoff(e) Anorganische Schadstoffe (Ammonium)
Organische Lösungsmittel (chlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe)
Datum Eintrag Altlastenatlas: 01.06.2022
Datum der Prioritätenfestlegung: 01.06.2022
Priorität: 2
Status Maßnahme: in Planung
Art der Maßnahme: Sicherung

BESCHREIBUNG DER STANDORTVERHÄLTNISSE

Betriebliche Anlagen und Tätigkeiten

Gesamtbetrieb

Der etwa 900.000 m² umfassende Altstandort „Chemiepark Linz“ befindet sich im Osten der Stadt Linz direkt an der Donau.

Die im Jahre 1939 gegründeten „Stickstoffwerke Ostmark AG“ nahmen auf dem Areal des heutigen Chemieparks 1942/43 den Betrieb auf. Nach dem 2. Weltkrieg gingen sie in das Eigentum der Republik Österreich über und wurden in „Österreichische Stickstoffwerke AG“ sowie 1973 in „Chemie Linz AG“ umbenannt. Ende der 1970er-Jahre waren rund 7.500 Personen im Unternehmen beschäftigt. In den späten 1980er-Jahren wurden einzelne Unternehmensbereiche als Tochtergesellschaften einer übergeordneten „Chemie Holding AG“ ausgelagert (Chemie Linz, Agrolinz, CL Pharma), 1990 erfolgte die Privatisierung der gesamten Holding. Derzeit werden die Produktionsanlagen auf dem Altstandort von einer größeren Anzahl an Firmen betrieben.

In den ersten Betriebsjahren wurden vor allem Pflanzendünger produziert. Ebenso wie das südlich gelegene Stahlwerk wurde der Betrieb in den Jahren 1944 und 1945 bombardiert, die Schäden waren aber vergleichsweise geringer.

 

Bis in die 1970er-Jahre wurde die Produktpalette laufend erweitert, darunter weitere Düngemittel, Chlorethan und Lachgas als Narkosemittel, Sulfonamid als Ausgangsstoff für Heilmittel, Nitrobenzol für die Farben- und Seifenindustrie, Anilinsalz für Färbereien, Leim, Chromalaun als Gerbstoff, Weichmacher, Natriumbisulfit und Schwefelsäure. Ende der 1950er-Jahre startete zudem die Produktion von Pharmazeutika, Kunststoffen und Chemiefasern. Im Jahr 1965 wurde die Phosphorsäureanlage in Betrieb genommen.

Im Jahr 1970 war die Düngemittelproduktion mit knapp 50 % am Umsatz des Standortes beteiligt. Die andere Hälfte entfiel auf Pflanzenschutzmittel, Chemikalien und Katalysatoren, Kunststoffe, Weichmacher, Klebstoffe sowie Pharmazeutika. 1985 betrug der Anteil der Düngemittel noch etwa 30 % des Umsatzes. Kunststoffe, Fasern und Vliese nahmen ebenfalls rund 30 % ein, Pflanzenschutzmittel 8 % und der Pharmabereich 3 %. Ein Viertel entfiel auf diverse anorganische und organische Produkte und Kunststoffvorprodukte.

Stickstoffanlagen und Mehrzweckanlage

Der als „Stickstoffanlagen und Mehrzweckanlage“ bezeichnete Bereich umfasst auf einer Fläche von etwa 64.000 m² Dünger-, Harnstoff- und Melaminanlagen sowie die sogenannte Mehrzweckanlage und befindet sich im nordwestlichen Teil des Chemieparks.

Wie vorher beschrieben, stellte die Herstellung von Düngemitteln auf Stickstoffbasis den ersten Produktionsschwerpunkt der 1939 gegründeten „Stickstoffwerke“ dar. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war die Nutzung des Kokereigases aus dem südlich gelegenen Eisen- und Stahlwerk zur Produktion von Wasserstoff, der bei der Synthese von Ammoniak mit dem Haber-Bosch-Verfahren benötigt wurde. In den ersten Betriebsjahren während des 2. Weltkrieges wurde daraus vor allem Pflanzendünger wie Kalkammonsalpeter („Nitramoncal“), eine Mischung aus Ammoniumnitrat und Calciumcarbonat, produziert. Die ersten Anlagen zur Erzeugung von Kalk-ammonsalpeter waren in Niederdruckbetriebe (Gasfabrik) und Hochdruckbetriebe (Ammoniakerzeugung nach dem Haber-Bosch-Verfahren), den Säurebetrieb, die Salzfabrik sowie die Kalk-ammonsalpeterfabrik gegliedert. Im Laufe des 2. Weltkrieges wurde neben Düngemitteln zunehmend Salpetersäure und daraus Sprengstoff produziert.

Hinsichtlich der Düngemittelproduktpalette kam 1952 die Ammonsulfatproduktion aus Ammoniak, Kohlensäure und Gips hinzu.

Im Jahre 1958 ging die Harnstoffanlage in Betrieb (400.000 t/a), die 1963 erweitert wurde. Harnstoff (Kohlensäurediamid) wurde unter Verwendung des erzeugten Ammoniaks hergestellt und fand zu dieser Zeit hauptsächlich als Stickstoffdünger Anwendung.

Ab 1967 wurde aus Harnstoff Melamin erzeugt (35.000 t/a), eine stickstoffhältige heterocyclische aromatische Verbindung (2,4,6‑Triamino-s-triazin), die als Ausgangsstoff zur Herstellung von Melaminharzen für Klebstoffe und Kunststoffe verwendet wurde. Bei der Produktion von Melamin entsteht als Nebenprodukt u. a. Guanidincarbonat (GC), ein Salz der stickstoffhältigen starken Base Guanidin. Bereits 1972 wurde die Melaminanlage erweitert. 1977 wurde die Harnstoffanlage neu errichtet und die mittlerweile dritte Melaminanlage in Betrieb genommen. Die vierte Melaminanalage nahm 1990 den Betrieb auf.

Nördlich der Melaminanlage befindet sich der Bau 430, in dem bis Mitte der 1970er-Jahre Harnstoff produziert wurde. Seit der oben erwähnten Neuerrichtung der Harnstoffanlage östlich des Baues 430 wird das Gebäude als „Mehrzweckanlage“ genutzt, in der verschiedenartige Synthesen durchgeführt und dabei zahlreiche chemische Grundstoffe, u. a. organische Lösungsmittel wie chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW), eingesetzt wurden.

Im Bereich der Harnstoffanlage kam es 1987 zu einem Austritt von Ammoniakdünnlauge. Im Jahre 1998 ereignete sich ein weiterer Vorfall, bei dem 3.900 kg Ammoniak austraten. In der Folge wurde ein Sperrbrunnen errichtet (Brunnen B423a), über dessen Betriebsverlauf keine weiteren Informationen vorliegen. Derzeit wird der Brunnen, der sich in unmittelbarer Nähe zur Messstelle B423a befindet, nicht betrieben.

Untergrundverhältnisse

Der Altstandort befindet sich im Bereich der ehemaligen Auterrasse der Donau. Der natürliche Untergrund im Bereich der Terrasse besteht aus oberflächennahen feinkörnigen Deckschichten (Ausande und Aulehme), die von quartären kiesig-sandigen Sedimenten als Grundwasserleiter und feinkörnigen, tertiären Sedimenten (Schlier) als Grundwasserstauer unterlagert werden. Im Zuge der industriellen Erschließung des Standortes erfolgten in weiten Bereichen bis zu 3 m mächtige künstliche Anschüttungen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass im gesamten Bereich des Altstandortes der natürliche Untergrund durch anthropogene Aufschüttungen überdeckt ist oder dass auch die feinkörnigen natürlichen Deckschichten zum Teil ersetzt wurden.

Die Geländeoberfläche befindet sich etwa auf 253 m bis 255 m ü. A. Ab einer Tiefe von 3 m bis 7 m stehen sandige Kiese an, bei denen es sich um quartäre, fluviatile Sedimente handelt, die sehr gut durchlässig sind. Der Grundwasserspiegel befindet sich generell rund 5 m bis 7 m unter Gelände (rund 248 m bis 250 m ü. A.). Die Aquiferbasis zeigt im Untersuchungsbereich kein ausgeprägtes Relief und liegt zum Großteil auf einem Niveau von 238 m bis 241 m ü. A. Die Aquiferbasis fällt nach Osten zur Donau, aber auch gegen Nordwesten hin ab. Gegen Südwesten ist ein Anstieg der Aquiferbasis auf über 244 m ü. A. zu beobachten. Im Schlierrelief ausgebildete Längsstrukturen ziehen von Nordwesten nach Südosten. Die Grundwassermächtigkeit beträgt bei mittlerem Grundwasserstand 8,5 m bis 10 m.

Generell strömt das Grundwasser aus der Welser Heide kommend nach Osten bzw. Nordosten in Richtung Donau. Seit der Errichtung des Donaukraftwerkes Abwinden-Asten im Jahr 1979 werden im Untersuchungsgebiet die Grundwasserstände durch Dichtwandumschließungen der Donau inkl. ihrer Hafenbecken sowie durch Pumpwerke reguliert, mittels derer das anströmende Grundwasser in die Donau übergeleitet wird. Dieser Aufstau der Donau führte zu einem Anstieg des mittleren Grundwasserspiegels im Bereich des Chemieparks um rund 1 m im Ostteil und bis zu 1,5 m im Westteil. Der Wasserspiegel der Donau liegt seit Kraftwerkserrichtung über dem Wasserspiegel des anströmenden Grundwassers. In aktuellen wasserwirtschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Dichtwände entlang der Donau keine vollständige Abdichtung bewirken und eine Infiltration von Donauwasser in das Grundwasser gegeben ist (entlang der Uferlinie des Chemieparks in Summe etwa 70 l/s). Insbesondere aus dem Bereich des nördlich gelegenen Tankhafens kommt es zu einer Infiltration von Donauwasser in das Grundwasser (z. B. im November 2018). Die Grundwasserstände unterliegen seit Fertigstellung des Donaukraftwerkes nur geringen jahreszeitlichen Schwankungen von 0,3 m bis 0,6 m.

Weiters werden die Grundströmungsverhältnisse durch das im Zuge der Sanierungsmaßnahmen an der Altlast O76 „Kokerei Linz“ betriebene „Funnel & Gate-System“ beeinflusst. Dabei wird das Grundwasser mittels einer Dichtwand, die bis in den Grundwasserstauer reicht (Funnel) zu den Gates geleitet. Die mit Aktivkohle befüllten Gates ermöglichen an definierten Bereichen ein Durchströmen des Grundwassers von der Kokerei in Richtung Chemiepark und gleichzeitig eine Adsorption der im Grundwasser transportierten Schadstoffe (vornehmlich polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – PAK). Insgesamt befinden sich entlang der Nordgrenze der Altlast „Kokerei Linz“ 12 Gates.

Im Osten entlang der Donau wird das Grundwasser über eine ca. 650 m lange Drainage gefasst und über den Drainagebrunnen B147a in die Donau geleitet. Aufgrund der Grundwasserdynamik schwankt die Fördermenge des Drainagebrunnens um einen Faktor von mehr als 2 (z. B. 73 l/s im März 2014 vs. 167 l/s im Juni 2013), wobei die höchsten Entnahmemengen in den Sommer- und Herbstmonaten registriert werden, die geringsten im Frühjahr. Im langjährigen Durchschnitt ergibt sich eine Fördermenge von rund 90 l/s.

Im Zuge von Pumpversuchen wurden folgende hydraulische Durchlässigkeiten im Bereich der Stickstoffanlagen ermittelt:

  • Zentralteil: 1,2 E-03 bis 3,7 E-03 m/s
  • Abstrom: 2,9 E-04 bis 3,2 E-04 m/s

Das hydraulische Gefälle ist z. T. sehr gering, im Bereich der Stickstoffanlagen beträgt es nur rund 0,7 ‰, im nordöstlichen Teil (Pflanzenschutzmittelproduktion) 2 ‰ und im südöstlichen Teil Richtung Drainage bis zu 3 ‰. Die effektive Porosität der quartären Kiese im Bereich der Linzer Bucht beträgt rund 0,2 bis 0,25.

Im Bereich der Stickstoffanlagen kann der spezifische Grundwasserdurchfluss mit rund 0,7 m³ pro Tag und Querschnittsmeter abgeschätzt werden. Bei einer Abstrombreite von rund 350 m ergeben sich dadurch rund 250 m³/d.

Entsprechend dem hohen Bebauungs- und Versiegelungsgrad ist auf dem gesamten Standort, und insbesondere auch im Bereich der PSM-Produktion, mit einer geringen Grundwasserneubildungsrate zu rechnen, sodass das Verdünnungspotential des Grundwassers gegenüber dem Sickerwasser als hoch anzunehmen ist.

Schutzgüter und Nutzungen

Der Altstandort „Chemiepark Linz“ befindet sich in einer industriell geprägten Umgebung. Südlich des Altstandortes liegt das Eisen- und Stahlwerk der Voestalpine mit der Altlast O 76 „Kokerei Linz“, die vom Chemiepark durch die Steyregger Bundesstraße (B3) und eine Eisenbahnlinie (Summerauer Bahn) getrennt wird. Östlich des Areals fließt die Donau Richtung Süden. Im Norden liegt ein Hafenbecken der Donau („Tankhafen“). Westlich wird der Chemiepark von industriell und gewerblich genutzten Arealen begrenzt.

Auf dem Standort des Chemieparks befinden sich neben den Produktions- und Lagergebäuden für Ausgangsstoffe und Produkte, zahlreiche Verwaltungs- und Laborgebäude, Werkstätten, Verkehrs- und Grünflächen sowie im nordöstlichen Bereich ausgedehnte Gleisanlagen.

Der Bereich der aktuellen und historischen Stickstoffanlagen sowie der Mehrzweckanlage befindet sich im nordwestlichen Teil des Chemieparks und ist großteils bebaut oder versiegelt. Nördlich an die Anlagen anschließend und bis zum Tankhafen reichend befindet sich eine rund 40.000 m² große, großteils unbebaute Grünfläche. Südlich liegen mehrere Verwaltungsgebäude.

Mittel- bis langfristig kann davon ausgegangen werden, dass auf dem gesamten Areal und seinem Umfeld die industrielle Nutzung bestehen bleibt.

Entsprechend der industriellen Nutzung des Altstandortes und seiner Umgebung bestehen im Bereich des Chemieparks und in seinem Grundwasserabstrom keine Wasserrechte zur Entnahme von Trinkwasser. Im Bereich des Standortes werden einige Brunnen zur Wasserhaltung bzw. zur Entnahme von Nutzwasser (z. B. für Kühlzwecke) betrieben.

 Aktuelle Grundwasserentnahmen im Bereich des Altstandortes „Chemiepark Linz“
Brunnen Entnahmemenge 2016-2019 [l/s] Lage
B25 (Absenkbrunnen) 3,7 - 4,4 Anstrom Chemiepark
B33 (Absenkbrunnen) 1,0 - 1,2 Anstrom Chemiepark
B35 (Sanierungsbrunnen) ca. 3 Abstrom PSM-Produktion
B88 (Nutzwasserbrunnen) 2,9 - 3,6 Anstrom Chemiepark
B92 (Nutzwasserbrunnen) 4,0 - 5,3 (max. Konsenswassermenge: 67) Anstrom Chemiepark
B147a (Drainagebrunnen) bis 200 
2013/2014: 73 - 167 (Mittelwert 100) 
Mittelwert 1995-2004: 130
Östliche Grenze Chemiepark
(Ableitung in die Donau)

Nördlich des Drainagebrunnens wurde zudem bis 2019 der Nutzwasserbrunnen B144 betrieben, der mittlerweile stillgelegt und rückgebaut wurde. Der im Zuge eines Vorfalls bei der Harnstoffanlage errichtete Sperrbrunnen, der in unmittelbarer Nähe zur Messstelle B423a liegt, ist ebenfalls nicht mehr in Betrieb.

Mittels der Drainage und des Drainagebrunnens B147a sowie der niveaugesteuerten Absenkbrunnen im Anstrom wird der Grundwasserspiegel abgesenkt und annähernd konstant gehalten. Dies ist auch eine wesentliche Voraussetzung für den gesicherten Betrieb der zahlreichen Unterflurtanks. Das über den Brunnen B147a abgepumpte Drainagewasser wird direkt in die Donau geleitet.

Die überwiegend organisch belasteten Abwässer aus den Produktionsanlagen, den Laboratorien sowie in geringerem Umfang auch aus den Sanitäreinrichtungen aller am Chemiepark Linz angesiedelten Firmen werden in den sogenannten Biokanal eingeleitet und der werksinternen Biologischen Abwasservorreinigung (BAV) zugeführt. Das Rohrleitungsnetz des Biokanals umspannt nahezu den gesamten Chemiepark. Die überwiegend häuslichen Abwässer der im südwestlichen Teil des Chemieparks liegenden Verwaltungsgebäude werden über die öffentliche Kanalisation entsorgt.

Für Kühlzwecke wird Oberflächenwasser aus der Donau entnommen, mechanisch gereinigt und über ein dichtes Netz im Chemiepark an die Abnehmer verteilt. Dieses Wasser wird hauptsächlich zur Prozesskühlung herangezogen und nach Nutzung über den Kühlwasserkanal und ein Auslaufbauwerk wieder in die Donau abgeleitet. In den Kühlwasserkanal wird zudem ein Teil der anfallenden Oberflächenwässer im Chemiepark eingeleitet, die restlichen Oberflächenwässer fließen in den Bio- bzw. in den öffentlichen Kanal.

 

GEFÄHRDUNGSABSCHÄTZUNG

Der etwa 900.000 m² umfassende Altstandort „Chemiepark Linz“ befindet sich im Osten der Stadt Linz direkt an der Donau in einer industriell geprägten Umgebung. Südlich an den Standort angrenzend liegt die Altlast „Kokerei Linz“, in deren nach Nordosten gerichteten Grundwasserabstrom Mitte der 2010er-Jahre eine durchströmte Reinigungswand errichtet wurde.

Auf dem Standort werden seit den Jahren des 2. Weltkrieges unterschiedlichste chemische Erzeugnisse hergestellt. Anfangs war dies hauptsächlich stickstoffhältiger Pflanzendünger („Stickstoffwerke“), wobei der Ausgangsstoff Ammoniak ebenfalls auf dem Standort hergestellt wird. Im Jahre 1958 ging die Harnstoffanlage in Betrieb, ab 1967 wurde aus Harnstoff Melamin erzeugt. Sowohl die Dünger- als auch die Harnstoff- und die Melaminanlagen wurden im Laufe der Zeit mehrmals erneuert bzw. erweitert. In einem weiteren Gebäude, in dem bis Mitte der 1970er-Jahre Harnstoff produziert wurde, befindet sich seit damals eine sogenannte „Mehrzweckanlage“, in der u. a. chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) Verwendung fanden. Die vier Anlagengruppen umfassen eine Fläche von etwa von 64.000 m².

Im Laufe der Betriebsgeschichte kamen zahlreiche andere Produktionsanlagen, u. a. für chemische Grundstoffe, wie Schwefel- und Salpetersäure, aber auch für Pflanzenschutzmittel, Kunststoffe, Kunststoffvorprodukte und Weichmacher, Fasern und Vliese sowie Pharmazeutika hinzu. Im Jahr 1970 betrug die Düngemittelproduktion knapp 50 % der Produktion auf dem Standort, im Jahr 1985 noch etwa 30 %.

Der Untergrund ist im Bereich des Altstandortes von quartären kiesig-sandigen Sedimenten als Grundwasserleiter geprägt, die von feinkörnigen, tertiären Sedimenten (Schlier) als Grundwasserstauer unterlagert werden. Generell ist der etwa 8,5 m bis 10 m mächtige, ergiebige Grundwasserstrom nach Osten bzw. Nordosten in Richtung Donau gerichtet. Seit der Errichtung des Donaukraftwerkes Abwinden-Asten im Jahr 1979 wird der Grundwasserstand durch Dichtwandumschließungen entlang der Donau und durch Pumpwerke reguliert. Im Osten entlang der Dichtwand zur Donau befindet sich eine Drainage, von der aus das Grundwasser über den Drainagebrunnen B147a in die Donau abgeleitet wird. Der Grundwasserflurabstand beträgt im Bereich der Stickstoffanlagen rund 5 m bis 7 m, der hydraulische Durchfluss 250 m³/d.

Entsprechend der industriellen Nutzung des Altstandortes und seiner Umgebung bestehen im Bereich des Chemieparks keine Wasserrechte zur Entnahme von Trinkwasser.

Zur Untersuchung des Altstandortes und seiner Auswirkungen auf die Umwelt wurden seit Mitte der 2000er-Jahre in mehreren Phasen Grundwasseruntersuchungen durchgeführt, zuletzt 2018 bis 2021 an insgesamt rund 90 Messstellen – davon rund 25 im Bereich der Stickstoffanlagen und der Mehrzweckanlage sowie deren An- und Abstrom. Untergrunduntersuchungen konnten aufgrund der komplexen Einbautensituation mit zahlreichen unterirdisch verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen und der Sensibilität der Produktionsanlagen nicht durchgeführt werden.

Die Grundwasseruntersuchungen ergaben im östlichen Teil und im Abstrom der Stickstoffanlagen eine hohe Belastung des Grundwassers durch Stickstoffverbindungen mit stark erhöhten Konzentrationen von zum Teil deutlich über 100 mg/l Ammonium und deutlich über 1.000 mg/l Nitrat. Die maximalen Ammoniumkonzentrationen lagen zuletzt bei 430 mg/l, die maximalen Nitratkonzentrationen bei 3.200 mg/l. Die Maximalkonzentrationen überschreiten damit die Prüfwerte der ÖNORM S 2088-1 für Ammonium von 0,3 mg/l und für Nitrat von 45 mg/l um mehr als den Faktor 1.000 (Ammonium) bzw. fast den Faktor 100. In den am höchsten belasteten Messstellen sind auch stark erhöhte Nitritkonzentrationen von bis zu 8 mg/l festzustellen (Prüfwert: 0,3 mg/l). Die sehr hohe Stickstoffbelastung im Grundwasser beschränkt sich im Wesentlichen auf den östlichen Teil der Stickstoffanlagen, i. e. auf die Harnstoff- und Düngeranlagen. Auch im weiteren Abstrom dieser Anlagen sind noch Ammoniumkonzentrationen über 10 mg/l und Nitratkonzentrationen über 100 mg/l zu beobachten. Demgegenüber liegen die Ammoniumkonzentrationen im Anstrom deutlich unter dem Prüfwert und die aktuellen Nitratgehalte in der Größenordnung des Prüfwerts.

Die im zentralen Teil der Stickstoffanlagen im Grundwasser transportierte Ammoniumfracht beträgt rund 15.000 g/d bzw. im Abstrom noch deutlich über 3.000 g/d. Zum Vergleich beträgt der Orientierungswert für eine erhebliche Fracht in Hinblick auf Ammonium 1.000 g/d, d. h. die abgeschätzten Frachten sind um den Faktor 15 bzw. mindestens 3 höher. Zusätzlich zur Ammoniumbelastung kommen noch beträchtliche Nitratfrachten hinzu, die im zentralen Bereich mehr als 20.000 g/d und im Abstrom rund 10.000 g/d betragen, sodass insgesamt im zentralen Teil eine Stickstofffracht von rund 16.000 g/d und im Abstrom von rund 4.600 g/d im Grundwasser transportiert wird. Das Sauerstoffdefizit und die Abnahme der Gesamtstickstofffracht deuten grundsätzlich auf intensive mikrobielle Denitrifikationsprozesse im Grundwasser hin. Entsprechend der sehr deutlichen Abnahme der Ammoniumfracht auf relativ kurzer Fließstrecke vom Zentralbereich zum nahen Abstrom dürften davon verdeckt aber trotz der geringen Sauerstoffgehalte auch relevante Nitrifikationsprozesse ablaufen.

Die sehr hohen Ammonium- und Nitratkonzentrationen sowie die damit korrespondierenden Frachten lassen auf einen sehr hohen Schadstoffeintrag aus diesem Bereich in das Grundwasser und damit auf eine massive Kontamination des Untergrundes durch Stickstoffverbindungen im Bereich der Harnstoff- und Düngeranlagen schließen.

Neben der hohen Stickstoffbelastung sind im Bereich der Mehrzweckanlage hohe Konzentrationen an leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) von maximal 120 µg/l nachzuweisen. Dieser Wert übersteigt den Prüfwert für die Summe CKW von 18 µg/l etwa um den Faktor 7. Die CKW-Belastung ist auch noch im näheren Abstrom vorhanden (Maximum: rund 90 µg/l), nicht jedoch im Anstrom. Relevanter Einzelstoff ist in allen Fällen Tetrachlorethen. Die Abbauprodukte Trichlorethen und cis-1,2-Dichlorethen sind in Konzentrationen von maximal 5 µg/l vorhanden, Vinylchlorid liegt durchwegs unter der Bestimmungsgrenze. Trotz der sehr geringen Sauerstoffgehalte im Grundwasser scheinen daher relevante mikrobielle CKW-Abbauprozesse nur in geringem Ausmaß stattzufinden. Die im Grundwasser transportierte Tetrachlorethen-Fracht liegt im Bereich einer als erheblich zu beurteilenden Fracht von 5 g/d.

Ebenfalls in diesem Bereich, d. h. nördlich der Melaminanlage, ist eine hohe Guanidincarbonat-Fracht festzustellen, die in Summe mehr als 4.000 g/d beträgt. Im Anstrom lagen die analysierten Konzentrationen unter der Bestimmungsgrenze.

In der am höchsten mit Stickstoffverbindungen belasteten Messstelle zeigen sich darüber hinaus hohe Sulfatgehalte von maximal 1.000 mg/l (Prüfwert: 150 mg/l). Den Prüfwert überschreitende Sulfatkonzentrationen sind außerdem nur im weiteren Abstrom zu beobachten und nicht auf den Bereich der Stickstoffanlagen zurückzuführen.

Desphenyl-Chloridazon, ein Metabolit des Herbizids Chloridazon, ist wie fast flächendeckend im gesamten Chemieparkareal auch in den Messstellen im Bereich der Stickstoffanlagen in Konzentrationen zwischen 0,1 µg/l und 0,3 µg/l nachzuweisen.

Im Drainagebrunnen B147a wird aufgrund der hohen Förderrate (90 l/s) trotz vergleichsweise geringerer Konzentrationen (Mittelwert: 3,5 mg/l) eine Ammoniumfracht von ca. 25.000 g/d gefördert und in die Donau übergeleitet. Aufgrund der stofflichen Eigenschaften von Ammonium und des sehr hohen Abflusses der Donau kann eine dadurch bedingte negative Beeinflussung des Oberflächengewässers ausgeschlossen werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im nordwestlichen Teil des Altstandortes „Chemiepark Linz“ das Grundwasser im Bereich der Stickstoffanlagen massiv mit Ammonium und Nitrat verunreinigt ist. Damit ist ein hoher Schadstoffeintrag in das Grundwasser – als Auswirkung einer erheblichen Kontamination des Untergrundes in diesem Bereich – nachgewiesen. Darüber hinaus ist im Bereich der Mehrzweckanlage auch für chlorierte Kohlenwasserstoffe (Tetrachlorethen) ein signifikanter Eintrag in das Grundwasser nachweisbar. Während die Stickstoffverbindungen mikrobiellen Abbauprozessen unterliegen, findet in Hinblick auf die chlorierten Kohlenwasserstoffe nahezu kein Abbau statt. Aufgrund der im Grundwasser nachgewiesenen Stoffe und ihrer Produktions- bzw. Verwendungszeiträume sowie der dokumentierten Schadensfälle kann davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Verunreinigungen vor den 1990er-Jahren entstanden ist und ein Teil jüngeren Ursprungs ist.

 

 

PRIORITÄTENKLASSIFIZIERUNG

Maßgebliches Schutzgut für die Bewertung des Ausmaßes der Umweltgefährdung ist das Grundwasser. Die maßgeblichen Kriterien für die Prioritätenklassifizierung können wie folgt zusammengefasst werden:

Schadstoffpotential: groß

Auf dem Altstandort sind im Bereich der ca. 64.000 m² umfassenden Stickstoffanlagen und der Mehrzweckanlage erhebliche Kontaminationen des Untergrunds durch Ammonium und Nitrat sowie untergeordnet durch chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW), vornehmlich Tetrachlorethen, vorhanden. Auf Basis der vorliegenden Untersuchungsergebnisse können die Volumina der Kontaminationen nicht abgeschätzt werden. Aufgrund der Intensität der Grundwasserverunreinigungen und der betroffenen Abstrombreiten kann im Falle der Stickstoffverbindungen von einem Volumen größer als 100.000 m³ und im Falle der CKW von einem Volumen größer als 5.000 m³ ausgegangen werden. Entsprechend ihren stofflichen Eigenschaften ist den Stickstoffverbindungen ein vergleichsweise geringes und Tetrachlorethen ein hohes Gefährdungspotenzial für das Grundwasser zuzuordnen. Aufgrund des Ausmaßes und der Intensität der Kontamination und der Schadstoffeigenschaften ist das Schadstoffpotential insgesamt als groß zu bewerten.

Ausbreitung der Schadstoffe: weitreichend

Ausgehend von den Untergrundkontaminationen im Bereich der Stickstoffanlagen hat sich im Grundwasser eine Schadstofffahne mit Ammonium und Nitrat ausgebildet, deren Länge derzeit mehr als 500 m beträgt. In Summe beträgt die im zentralen Teil der Stickstoffanlagen im Grundwasser transportierte Ammoniumfracht rund 15.000 g/d. Die Nitratfracht beläuft sich 20.000 g/d, sodass insgesamt im zentralen Teil eine große Stickstofffracht von rund 16.000 g/d im Grundwasser vorhanden ist. Die vom Bereich der Mehrzweckanlage ausgehende CKW-Fahne ist kürzer als 200 m, die Fracht beträgt etwa 5 g/d und ist als erheblich zu beurteilen. Den insgesamt großen Schadstofffrachten und sehr langen Schadstofffahnen entsprechend ist die Schadstoffausbreitung als weitreichend zu beurteilen.

Bedeutung des Schutzgutes: gut nutzbar

Im Bereich des Altstandortes liegt ein ergiebiges Grundwasservorkommen vor. Entsprechend der industriellen Nutzung des Altstandortes und seiner Umgebung bestehen aber keine Wasserrechte zur Entnahme von Trinkwasser. Das lokale Grundwasser wird im Anstrom entnommen und für Kühl- und Brauchwasserzwecke genutzt. Im Osten des Areals wird Grundwasser im Zuge von Wasserhaltungsmaßnahmen über eine Drainage erfasst und über einen Brunnen in die Donau abgeleitet. Unter Voraussetzung der Strömungs- und Nutzungsverhältnisse im Zeitraum der Untersuchungen ergeben sich für die bestehenden Nutzungen keine Einschränkungen.

Mittel- und langfristig ist keine Änderung der industriellen Nutzung des Standortes geplant oder zu erwarten. Eine Nutzung des Grundwassers zu kommunalen Wasserversorgungszwecken ist langfristig unwahrscheinlich. Im Rahmen der Studie „Grundwasserbewirtschaftung Linz“ wurde der Altstandort „Chemiepark Linz“ als Bereich vorgeschlagen, in dem weitere Grundwasserentnahmen wünschenswert sind.

Vorschlag Prioritätenklasse: 2

Entsprechend der Bewertung der vorhandenen Untersuchungsergebnisse, der voranstehenden Gefährdungsabschätzung und den im Altlastensanierungsgesetz § 14 festgelegten Kriterien ergibt sich für den Bereich der Stickstoffanlagen und der Mehrzweckanlage die Priorität 2.

 

 

Datum der Texterstellung: November 2021